Laufende Antrags-Forschungsprojekte – Modul 1

1. Projekttitel: Wirkungsanalyse von Prämiensubventionenfür Obst- und Weinbauern auf dem deutschen Frostversicherungsmarkt

Antragsteller: Prof. Dr. Jörg Schiller, Universität Hohenheim

Abstract / Ziel des Projekts:

Durch den fortschreitenden Klimawandel gewinnen Wetterrisiken und deren Absicherung zunehmend an Bedeutung. Dies ist vor allem für landwirtschaftliche Betriebe eine große Herausforderung, deren Ernteerträge oft stark von Wetterbedingungen abhängen. Um den Umgang mit Wetterrisiken zu erleichtern und das Risikomanagement von Landwirten zu verbessern, können Versicherungsangebote einen wertvollen Beitrag leisten. Aus diesem Grund brachten landwirtschaftliche Versicherer, insbesondere in Europa, in den letzten Jahren verschiedene neue Produkte auf den Markt. Das Projekt analysiert die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Versicherungsprodukten anhand eines solchen neuartigen Versicherungsprodukts: Versicherung gegen Spätfrostschäden im Obst- und Weinbau. Spätfrost bezeichnet ein Absinken von Temperaturen unter den Gefrierpunkt nachdem der Frühling bereits begonnen hat und sich Pflanzen in einem Stadium kurz vor oder kurz nach Austrieb ihrer Knospen befinden. Kommt es zu Frostereignissen nachdem der Knospenaustrieb eingesetzt hat, erfrieren junge Triebe, wodurch das das Ernteertragspo-tential der Pflanzen reduziert wird.

Im Jahr 2017 führte ein solches Spätfrostereignis in Europa zu einem starken Ernterückgang. und geschätzten Schäden von ca. 3,3 Milliarden € (Faust und Herbold, 2018). Aufgrund der damals niedrigen Versicherungsdichte entschieden einige deutsche Bundesländer, Direkthilfen zu gewährleisten, um die Existenzen der betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe zu gewährleisten. Das Land Baden-Württemberg führte Ende 2019 eine Prämiensubventionierung in Höhe von 50% auf Spätfrostversicherungsverträge ein. Ziel der Subvention war die Erhöhung der Versicherungsnachfrage. Mithilfe von Daten der Vereinigten Hagel VVaG, dem größten deutschen Agrarversicherer, und Daten des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg soll das Projekt die Wirkung dieser Subvention umfassend analysieren. Die zentralen Forschungsfragen des Projekts sind: Welche Auswirkungen hatte die Einführung der Prämiensubventionierung auf die allgemeine Versicherungsnachfrage der Landwirte? Wie unterscheidet sich die Nachfragereaktion von Landwirten mit unterschiedlichen Charakteristiken (z.B. zwischen Landwirten, die in 2017 von den Direkthilfen profitierten und Landwirten, die keine Direkthilfen erhielten)?

Die Beantwortung dieser Fragen soll zu einem besseren Verständnis landwirtschaftlicher Ver-sicherungsnachfrage führen, welches auch bei der Absicherung weiterer durch den Klimawan-del beeinflussten Risiken (z.B. Dürre) genutzt werden kann.

Referenzen:
FAUST, E. & HERBOLD, J. 2018. Spring frost losses and climate change – Not a contradiction in terms. Munich RE [Online]. https://www.munichre.com/topics-online/en/climate-change-and-natural-disasters/climate-change/spring-frost-losses-climate-change-2018.html [Stand 26.02.2021].

2. Projekttitel: Innovative Risk Transfer Solutions for Pandemic Business Interruption Losses

Antragsteller: Prof. Dr. Alexander Braun und Prof. Dr. Martin Eling, Universität St. Gallen

Abstract / Ziel des Projekts:

We address the potential of innovative risk transfer instruments for managing pandemic risks. A relatively small-scale pilot project by the World Bank has employed securitization to raise risk capital for prevention purposes. An application for the refinancing of pandemic business interruption risk on the sovereign level, however, has not been considered to date. Our idea is to develop a microeconomic model of the decision-making problem faced by a sovereign government, issuing a pandemic business interruption bond to refinance fiscal stimulus packages with private sector capital. We consider both supply and demand for securitized pandemic business interruption risk to assess which securitization structures would be compatible with an equilibrium. By insuring against extreme events such as the Covid-19 pandemic, countries might be able to smooth public spending and avoid further burdens for the taxpayer and negative long-term effects on economic growth.

The ultimate goal of the proposal is to conduct methodological and empirical research that has the potential to guide policymakers and decision-makers in other organizations in understanding the consequences of pandemic risk and improving its risk management, especially with respect to the insurance industry. We also encourage more research in the area of pandemic risk by initiating a PhD thesis and research seminars on pandemic risk. From a practical point of view, our results are useful to improve the modeling and management of pandemic risks; this is important to better understand current risk management limitations and – if they can be overcome – to increase the resilience of the economy and society with respect to these scenarios. The outcomes are thus not only relevant for academia but also for policymakers and other decision-makers working on pandemic risk management.

 

3. Projekttitel: Künstliche Intelligenz und Versicherung

Antragsteller: Prof. Dr. Christian Armbrüster, Freie Universität Berlin

Abstract / Ziel des Projekts:

Kann eine Vertragsschluss- oder Regulierungsentscheidung vollautomatisiert durch den Einsatz künstlicher Intelligenz (im Folgenden: KI) mit rechtlicher Bindungswirkung für den Versicherer erfolgen und unter welchen Voraussetzungen lässt sie sich später, etwas bei einer vom Programmierer, dem Anwender oder von einem Dritten verursachten Fehlfunktion der KI, revozieren oder modifizieren? Ist es rechtlich zulässig, bei der Risikoprüfung Gesundheitsdaten zugrunde zu legen, die mittels KI erstellt worden sind (z.B. Krebsprognose oder -diagnose)? Inwiefern ist ein Haftpflichtversicherer für Schäden leistungspflichtig, die beim Einsatz von KI entstanden sind?

Ziel des Forschungsprojekts ist es, derartige praxisrelevante Rechtsfragen zu klären. Sie ergeben sich einerseits aus dem Einsatz von KI im Versicherungsunternehmen, andererseits aus der Haftung für fehlerhafte KI und die Versicherung dieser Risiken. Bei dem Rahmenthema handelt es sich um einen vielschichtigen Forschungsansatz. Das Spektrum reicht von technischen Grundlagen (etwa Algorithmus-basiertes Machine Learning) über allgemeine bürgerlich-rechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der Verwendung von KI (Rechtsfähigkeit, Willensbildungsfähigkeit, Irrtumslehre sowie Wissens- und Verhaltenszurechnung), bis hin zu speziellen versicherungsvertragsrechtlichen Themen (Leistungsprüfung und -freigabe durch KI; Haftung und Deckung für ‚Handeln‘ von KI) und Compliance-Aspekten sowie datenschutzrechtlichen Problemstellungen.

4. Projekttitel: Maschinelles Lernen und Preisbildung von alternativen Risikotransferinstrumenten am Primär- und Sekundärmarkt

Antragsteller: Prof. Dr. Marc Gürtler,Technische Universität Braunschweig

Abstract / Ziel des Projekts:

Cat Bonds stellen eine kapitalmarktbasierte Alternative zu konventionellen Rückversicherungsverträgen dar und der zugehörige Markt erfuhr in den vergangenen 20 Jahren seit der Markteinführung ein kontinuierliches Wachstum. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich die Preisbildung für dieses strukturierte Finanzprodukt zunehmend zu einem wichtigen Gegenstand versicherungs- und finanzwissenschaftlicher Forschung. Durch die fortwährende Gewinnung neuer Erkenntnisse über die maßgeblichen Einflussfaktoren von Cat-Bond-Risikoprämien in der wissenschaftlichen Literatur konnten in den vergangenen Jahren auch Prognosemodelle zur Vorhersage genannter Risikoprämien stetig verbessert und verfeinert werden. Beobachtete Risikoprämien können auf der Grundlage bekannter Einflussfaktoren bereits mit sehr hoher Güte (In-Sample) erklärt werden. Die Vorhersage (Out-of-Sample-Prognose) dieser Risikoprämien stellt sich jedoch als eine deutlich schwierigere Aufgabe dar. Bei der Out-of-Sample-Prognose müssen sowohl statistisch alsauch ökonomisch signifikante Einflussfaktoren identifiziert werden. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass die Einflussbeziehungen unter denen das Prognosemodell kalibriert wird über den Prognosehorizont möglichst stabil sind. Ein zusätzliches Risiko bei der Entwicklung von Prognosemodellen besteht in der Modellüberspezifikation mit „zu vielen“ Einflussfaktoren, die letztlich zu einer schlechten Prognosegüte führt. Insgesamt stellt sich daher die Entwicklung eines geeigneten Prognosemodells als vielschichtige wissenschaftliche Problemstellung dar, in deren Rahmen sich insbesondere bei der Spezifikation der Modellparameter sowie der Rahmenbedingungen der Prognose eine hohe Zahl von Freiheitsgraden ergibt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob „State-of-the-Art“-Modelle zur Prognose von Cat-Bond-Risikoprämien durch die Anwendung geeigneter Verfahren des Maschinellen Lernens hinsichtlich der Prognosegüte maßgeblich verbessert werden können.

Verfahren des Maschinellen Lernens ermöglichen die Schätzung von Cat-Bond-Risikoprämien und können dabei helfen, ein möglichst gut geeignetes Prognosemodell zu entwickeln. Ihr Nutzen ist insbesondere dann hoch, wenn die Modellentwicklung aufgrund der hohen Anzahl möglicher Einflussfaktoren und -beziehungen sowie bei der Modellierung zu setzender Rahmenbedingungen zu einem hochdimensionalen Entscheidungsproblem wird, das durch eine „manuelle“ Modellentwicklung zumindest nicht optimal gelöst werden kann. Maschinelles Lernen umfasst ein breites Spektrum verschiedener Methoden und ermöglicht es, die maßgeblichen Einflussfaktoren auf die Risikoprämie von Cat Bonds zu identifizieren und in geeigneter Form in einem Prognosemodell zu implementieren. Damit bietet Maschinelles Lernen auch eine potentielle Lösung für Probleme wie den sogenannten „Omitted Variable Bias“ oder Verzerrungseffekt, der entsteht, wenn relevante Einflussfaktoren nicht berücksichtigt werden und die Fehlspezifikation der funktionalen Form von Modellvariablen. Auf der Grundlage eines Vergleichs bisher entwickelter Prognosemodelle für Cat-Bond-Risikoprämien mit Prognosemodellen, die auf Verfahren des Maschinellen Lernens basieren, wäre es möglich, (1) das Verbesserungspotenzial durch Maschinelles Lernen im Bereich der Preisbildung von Cat Bonds abzuschätzen und (2) Handlungsempfehlungen bezüglich der Anwendung von Verfahren des Maschinellen Lernens auf Fragestellungen der Preisbildung am Kapitalmarkt im Allgemeinen abzuleiten.

Durch die konkrete Anwendung von Verfahren des Maschinellen Lernens entstehen Anknüpfungspunkte zu den Themen
„Big Data“ und „Künstliche Intelligenz“, die im Schwerpunktbereich „Digitalisierung und Versicherungsmärkte“ verortet sind. Darüber hinaus hat das Anwendungsgebiet Cat Bonds eine hohe praktische Relevanz, denn Cat Bonds gelten als innovative Instrumente zur Steigerung der Versicherbarkeit von extremen Risiken, was insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels
zunehmend an Bedeutung gewinnt. Konkret sollen im Rahmen einer empirischen Untersuchung der Cat-Bond-Primär- und Sekundärmarktpreise folgende Projekte umgesetzt werden:

1. Robuste Spezifikationsstrategien für die Prognose von Cat-Bond-Risikoprämien am Primärmarkt: Verfahren der Regressionsanalyse und des Maschinellen Lernens im Vergleich;
2. Einsatz von Verfahren des Maschinellen Lernens zur Prognose von Cat-Bond-Risikoprämien am Sekundärmarkt.

Die zwei aufgeführten Projekte betreffen Erkenntnisfelder, die sowohl für die versicherungswissenschaftliche Forschung auf dem Feld der Preisbildung für kapitalmarktbasierte Versicherungsinstrumente als auch für die Versicherungspraxis erhebliche Relevanz besitzen. Durch den Vergleich und die Gegenüberstellung bestehender Modelle zur Bestimmung von Cat-Bond-Risikoprämien soll das Verständnis der maßgeblichen Preisdeterminanten am Cat-Bond-Markt verbessert werden. Darüber hinaus handelt es sich bei Maschinellem Lernen um ein sowohl in wissenschaftlichen als auch praktischen Anwendungskontexten intensiv diskutiertes Thema. Oft ist in diesem Zusammenhang unklar, ob und unter welchen Voraussetzungen sich Maschinelles Lernen gegenüber
traditionellen Modellierungsansätzen als vorteilhaft erweisen kann. Das vorgeschlagene Forschungsvorhaben soll daher einen Beitrag dazu leisten, das Potential von Verfahren des Maschinellen Lernens auf dem Anwendungsfeld der Preisbildung von Cat Bonds realistisch einzuschätzen. Die aus der Analyse resultierenden Erkenntnisse können schließlich auch auf andere Anwendungsfelder übertragen werden.

5. Projekttitel: On the investment strategies in occupational pension plans

Antragstellende: Prof. Mitja Stadje und Prof. Dr. An Chen

Abstract / Ziel des Projekts:
In the last decades, most industrial countries have experienced the conversion of traditionally Defined Benefit (DB) plans, which take for instance into account years of service for the employer, to so called defined contribution (DC) plans. According to the new law of occupational pension plans (Betriebsrentenstärkungsgesetz), a new occupational pension plan was introduced and implemented in 2018 in which the so-called “Zielrente” will potentially play an important role for the German pension system. This newly proposed Zielrente can be considered a special form of a hybrid pension plan between DB and DC, which does not aim to transfer all the risks to the pension beneficiaries, but instead rather aims to balance the risk sharing between employers and employees and between different generations. In this context we want to study so called target date funds (TDFs) which are widely used to manage the investment risk for the individual retirement accounts in the US.

TDFs are investment funds with a pre-specified maturity (target date).The main mechanism behind these TDFs is that those who retire later shall invest more in equity while those who retire earlier shall invest less in equity. In other words, equity holdings in TDFs shall decrease in age. Therefore, TDFs are usually identified by practitioners with “glide paths”, i.e., a decreasing curve of the equity holding (as a fraction of wealth) over time.

In the project the question will be asked whether the TDF introduced above is a reasonable choice for the individual (and the collective) account in the current low interest rate environment and can therefore potentially be used in the German market. We aim to find the optimal investment strategy for each pension beneficiary with a different risk aversion level and a different income level (leading to different contributions to the pension fund) in a realistic financial market setting. A main question will be if the optimal strategy coincides with the standard glide paths identified with a standard TDF or if different TDFs should allow for different glide paths.

6. Projekttitel: DIN-Norm konformer Versicherungsvertrieb mittels Website

Antragsteller: Prof. Dr. Peter Reiff, Universiät Trier

Abstract / Ziel des Projekts:

 Das Projekt hat zum Ziel, überzeugende Antworten auf die durch die aktuelle Gesetzgebungs- und Normungsakte (IDD-Richtlinie, deren Umsetzung, DIN 77230) entstandenen neuen Fragen zum Onlineversicherungsvertrieb zu finden. Die aufgeworfenen Probleme, die für den Wissenschafter herausfordernd und für den Praktiker bedeutsam sind, sollen geklärt und rechtssicher beantwortet werden. Mit der Analyse zu DIN 77230 sollen zudem Antworten auf neue und in Zukunft vermehrt auftretende Fragen gefunden werden, die auch den herkömmlichen Vertrieb von Versicherungen betreffen.

 

Weitere Projekte wurden bereits genehmigt

Sobald der Projektstart vorliegt, werden diese hier veröffentlicht.